Schöne neue Welt. Rente mit 69?
In Deutschland kommen nicht nur weniger Kinder zur Welt als früher, auch die Lebenserwartung der Menschen steigt. Die Folge: Es kommt zu einer Erhöhung des Durchschnittsalters in der Bevölkerung. Das deutsche Rentensystem ächzt; denn das heißt auch, dass die Beitragszahler künftig für mehr Rentner aufkommen müssen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) äußert sich Prof. Dr. Axel Börsch-Supan, Wissenschaftler am Max-Planck Institut München und Mitglied der von der Bundesregierung betrauten Rentenkommission, kritisch zum bisherigen Kurs der deutschen Politik und liefert Lösungsansätze in Form einer Kurskorrektur.
Handeln – und zwar am besten so schnell wie möglich
Wenn es nach Börsch-Supan geht, so ist das deutsche Rentensystem vor allem in Hinblick auf den demographischen Wandel dringend reparaturbedürftig. Auch die bisherige Linie der Bundesregierung, welche anstrebt, das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent zu stabilisieren und den Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen zu lassen, scheint zum Scheitern verurteilt. „Wir erwarten, dass bereits 2025 ein niedriger zweistelliger Milliardenbetrag zusätzlich aufgebracht werden muss, um diese Haltelinien zu finanzieren“, so der Wissenschaftler gegenüber der SZ. Um diese Haltelinien zu finanzieren, seien Steuererhöhungen unumgänglich.
Kurs korrigieren – Aber wie?
Konkret spricht sich Börsch-Supan für eine langsame Anhebung des Rentenalters auf 69 Jahre sowie eine deutliche Stärkung der privaten Altersversorgung durch Betriebsrenten aus. Das heißt konkret: 2030 soll die volle Altersgrenze von 67 Jahren gelten, nach zwölf Jahren dann auf 68 Jahre angehoben werden und weitere zwölf Jahre später die Rente mit 69 eingeführt werden. So könne man „das Rentenniveau mit einer kleinen Delle in etwa handeln“. Gleichzeitig bringt Börsch-Supan die Überlegung ein, es müsse ein an den individuellen Gesundheitszustand angepasstes Rentenalter geben: „Man darf Menschen nicht über einen Kamm scheren. Das Rentensystem müsste davon Abschied nehmen, ein bestimmtes Rentenalter für alle vorzuschreiben. Da ist mehr Flexibilität in beide Richtungen gefragt“.
Altersvorsorge – ein politisches Projekt
Außerdem müsse die Politik beim Thema Altersarmut dringend handeln. Wenn man die Situation der betroffenen Rentner, die auf die Grundsicherung von 800 Euro einschließlich Wohngeld zurückfallen, verbessern will, muss das Parlament diesen Betrag in erster Linie erhöhen, so Börsch-Supan. Im Interview mit der SZ betonte er auch, dass er die Einführung einer Grundrente oberhalb der Grundsicherung insbesondere für langjährig Versicherte für sinnvoll und vor allem notwendig halte – unabhängig vom vorherigen Verdienst. Letztlich spricht sich der Wissenschaftler zudem für private Vorsorgemöglichkeiten wie die Riester-Rente aus, kritisiert aber deren Intransparenz. Auch hier „gäbe es eine Menge zu ändern“. Zusammen mit den Sozialpartnern sei es vor allem die Aufgabe des Staates, ein entprechendes Betriebsrentenmodell auszubauen – dann liege es nur noch an den Unternehmen ihre Arbeitnehmer dazu zu motivieren, sich um ihre Rente zu kümmern.