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Digitale bAV-Verwaltung – wer verwaltet da eigentlich was und wie?

| 19 Minuten Lesedauer

Zeitschrift für Versicherungswesen / Oktober 2021 / Peter Kolm / Originalartikel

Für die professionelle Verwaltung von Betriebsrenten benötigen Unternehmen profunde Kenntnisse aus vielen Fachgebieten. An vorderster Stelle seien hier das Arbeits-, das Steuer- und das Sozialversicherungsrecht genannt. Als weitere Bereiche könnten der Versicherungsbereich und die Lohnabrechnung, aber auch Bilanzierung und GuV-Rechnung genannt werden. Noch dazu ist die Verwaltung betrieblicher Versorgungswerke zeitaufwändig und oft komplex. Diese Problemstellung wurde erkannt und deshalb kommen vermehrt bAV-Verwaltungsportale auf den Markt, die den Unternehmen durch eine digitale Verwaltung der betrieblichen Alters­versorgung großes Entlastungspotential versprechen.

Zunächst ist einmal festzustellen, dass bei nahezu allen digitalen bAV-Portalen nur ganz bestimmte Formen der betrieblichen Alters­versorgung im Fokus stehen – nämlich die der versicherungsförmigen Durch­führungs­wege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds und als verwaltungstechnisch „versicherungs­ähnlicher“ Durchführungs­weg die rückgedeckte Unterstützungs­kasse. Das ist an und für sich auch völlig in Ordnung, denn in vielen Unternehmen sind hauptsächlich genau diese Formen anzutreffen. Es gibt jedoch auch sehr viele Unternehmen, bei denen neben diesen Formen auch noch die Direktzusage und die pauschal dotierte Unterstützungskasse existieren. Mit den „versicherungslastigen“ Portalen ist eine bAV-Verwaltung im ganzheitlichen Sinne über alle Durchführungs­wege deshalb gar nicht möglich.

Unter einer ganzheitlichen bAV-Verwaltung ist aber durchaus nicht nur die Verwaltung aller Durchführungswege und Zusageformen der betrieblichen Altersversorgung zu verstehen, sondern auch die dazu notwendige Berücksichtigung bzw. Abbildung aller arbeits-, steuer- und sozial­versicherungs­rechtlichen Zusammenhänge im Portal. Denn ohne diese lässt sich eine bAV-Zusage weder ordnungsgemäß verwalten, noch hat das Unternehmen einen Überblick über mögliche Haftungsrisiken. Ein Unternehmen sollte sich bewusst sein, dass Ansprüche aus Leistungen aus der bAV erst nach 30 Jahren verjähren. Und die Verjährungsfrist beginnt erst mit Eintritt des Versorgungsfalles.

Ein Unternehmen sollte z.B. jederzeit nachvollziehen können, ob eine Direktversicherung über einen Versicherungs­nehmer­wechsel oder eine Deckungs­kapital­übertragung ins Unternehmen „gekommen“ ist. Es sollte wissen, ob es sich um eine beitragsorientierte Zusage oder um eine Zusage mit Mindestleistungen handelt. Es sollte auch die Entgeltumwandlungsvereinbarungen zur Hand haben. Fehlen z.B. Vereinbarungen, muss der Arbeitgeber im schlechtesten Falle Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

Auch interessiert keineswegs nur der Versicherungsbeitrag, sondern ebenfalls dessen Zusammensetzung (reiner Arbeitnehmeranteil, verpflichtender Arbeitgeberzuschuss, freiwillige Arbeitgeberzuschüsse usw.). Im Chemietarifbereich findet man zum Beispiel bis zu sechs Entgeltumwandlungskomponenten, die korrekt abgerechnet werden müssen.

Die Frage, was auf rein „versicherungsförmigen“ bAV-Plattformen denn nun eigentlich verwaltet wird, lässt sich relativ leicht beantworten: Versicherungsverträge – nicht viel mehr und auch nicht viel nicht weniger. Auch eine Direktversicherung, die im Rahmen z.B. einer Entgeltumwandlung vom Arbeitgeber abgeschlossen wird, ist eben nicht nur ein Versicherungsvertrag. Sie ist eine arbeitsrechtliche Zusage auf Versorgungsleistungen, die zusammen mit dem dazugehörigen Versicherungsvertrag betreut und verwaltet werden muss.

Versichererabhängig oder versichererunabhängig?
Natürlich helfen auch solche – nennen wir sie etwas monströs „bAV-Versicherungs­vertrags­verwaltungs­portale“ – Unter­nehmen weiter. Sie bringen Transparenz in den Vertragsbestand, Daten­meldungen zum Versicherer werden erleichtert, der Verwaltungs­aufwand sinkt. Es dürfte aber gerechtfertigt sein zu behaupten, dass bei den Betreibern dieser Portale weniger die betriebliche Altersversorgung der Unternehmen im Fokus steht. Denn folgt man der Spur des Geldes, stellt man fest, dass diese Portale im Wesentlichen von Versicherern finanziert werden. Entweder finanziert der Versicherer das Portal oder er betreibt das Portal gleich selbst. Das ist völlig legitim, denn die Portale bringen wie gesagt Vorteile für Unternehmen, Versicherer und den Versicherungsvertrieb. Als Unternehmen sollte man sich allerdings bewusst sein, dass diese meist kostenfrei zur Verfügung gestellten Portale nicht primär die Verwaltung z.B. einer Direktversicherungszusage im Auge haben. Primäre Zielsetzung sind Neuabschlüsse von Lebens­versicherungs­verträgen verbunden mit einer Reduktion des eigenen Verwaltungs­aufwandes auf Seiten des Versicherers.

Somit wird auch klar, warum bei den meisten Portalen nur Verträge bestimmter Versicherer verwaltet werden können. Unternehmen haben aber z.B. bei der Entgeltumwandlung meist nicht nur einen Versorgungsträger bzw. Versicherer, sondern oft sogar sehr viele. Deren bAV-Verträge lassen sich aber über ein versicherungs­gesellschafts­abhängiges Portal meist nicht verwalten. Unternehmen ist mit den diesen Portalen also nur sehr bedingt geholfen. Es wächst aber bei manchem Versicherer die Erkenntnis, dass dieses Denken wenig zielführend ist. Und man hat begonnen, auch „Fremdverträge“ in die Verwaltung zu integrieren. In der Praxis zahlt ein Unternehmen (oder ggf. auch der bAV-Dienstleister) dann eine Gebühr zur Nutzung des jeweiligen Portals für Fremdverträge, während die Nutzung der Verträge desjenigen Versicherers, der das Portal finanziert bzw. betreibt, kostenfrei ist.

Abgesehen davon, dass es auch bei Einbindung von Fremdverträgen nur „bAV-Versicherungs­vertrags­verwaltungsportal“ und kein bAV-Verwaltungssystem ist, ist das im Grunde eine gute Idee. Aber selbst diese Portale „hinken“. Denn die deutschen Lebens­versicherer scheinen digital nicht sehr gut aufgestellt. Das gilt natürlich nicht für alle. Aber selbst diejenigen, die über eine GDV-Schnittstelle (eine Wissenschaft für sich), BIPRO oder zukünftig RNext verfügen, sind von modernen Daten­schnitt­stellen wie z.B. einer ganz normalen API Lichtjahre entfernt, wie man Sie von jeder Fonds­gesellschaft her kennt.

Denn meist liefern diese Schnittstellen nicht alle Daten, um Mitarbeitern z.B. in Betriebsrenten­portalen, die sinnvoller­weise Bestandteil eines bAV-Portales sein sollten, die wichtigsten Daten und Dokumente anzuzeigen. Mit einer bloßen Darstellung der Grunddaten wird man hier zukünftig nicht weiterkommen. Und gerade in Zeiten, in denen Versicherer die Garantien drosseln müssen, um dann über komplexe Hybridmodelle noch interessante Renditen für ihre Kunden erwirtschaften zu können, tut Transparenz z.B. bei der Zusammensetzung eines Portfolios in einem modernen Hybridprodukt nicht nur Not, sondern ist ein immer wichtiger werdender Bestandteil für die Vorsorgeplanung des Einzelnen. Bei privaten Kapitalanlagen, z.B. im Aktien oder Fondsbereich, ist es der Anleger gewohnt, alle relevanten Daten kontinuierlich zuhause vom Sofa aus abfragen. Hier besteht im Lebens­versicherungs­bereich hoher Nachholbedarf.

Vor diesem Problem steht aber auch jedes versicherungs­unabhängige bAV-Verwaltungs­portal. Und momentan lässt sich dieses Problem im Grunde nur mit „Manpower“ lösen, indem Daten und Dokumente, die nicht über digitale Schnittstellen zur Verfügung stehen, manuell ins Portal eingegeben werden. Ein großer Versicherer hat hierfür vor Kurzem gar eine Gesellschaft gegründet, deren Aufgabe es ist, Daten und Dokumente von Fremdverträgen ins eigene Portal zu integrieren. Naturgemäß muss er hier entsprechende Gebühren verlangen. Handarbeit ist nun einmal teuer.

Nichtsdestotrotz ist dies aber auch dies ein Schritt in die richtige Richtung, der letzlich sogar dazu führt, dass der Unternehmenskunde lernt, dass man zumindest für die bAV-Verwaltung auch bezahlen muss. Auch wenn die oben genannte Gebühr für die Integration der Fremdverträge ja eigentlich gar keine „Verwaltungsgebühr“, sondern eine Servicegebühr für die Daten­integration und Nutzung des Portals ist. Von Verwaltung gibt es hier noch keine Spur. Die Verwaltungskosten kommen da ja noch oben drauf. Wobei wir direkt beim nächsten Thema angekommen wären.

Wer verwaltet eigentlich die bAV eines Unternehmens?

1. Kleine Unternehmen
Schauen wir zunächst nicht auf große Unternehmen, sondern bleiben wir im mittel­ständischen Bereich. Dort bestehen in der Regel Direkt­versicherungen, Pensions­kassen und hin und wieder auch ein Pensionsfonds oder auch eine rückgedeckte Ukasse.

Die bAV-Versicherungs­verträge werden vom Unternehmen selbst ggf. unter Zuhilfenahme eines bAV-Dienstleisters wie z.B. einem Versicherungsmakler bzw -vertreter verwaltet. Bei kleinen Unternehmen mit einigen wenigen Mitarbeitern ist die Verwaltung auch völlig unproblematisch. Hier bestehen eher Probleme bei der Einrichtung einer vernünftigen Versorgungsordnung. Das ist hier jedoch nicht Thema. Ein guter Versicherungs­vermittler oder -makler hat diesen Unternehmenskunden im Griff, die Mitarbeiter erhalten eine gute Versorgung und der Verwaltungsaufwand ist nicht der Rede wert. Ein echtes bAV-Verwaltungsportal oder auch ein Vertrags­verwaltungs­portal ist hier gar nicht erforderlich. Die Portale unterstützen ggf. den Makler für eine bessere Beratung und Generierung von Neugeschäft.

2. Mittlere und große Unternehmen mit Schwerpunkt versicherungsförmige bAV
Anders sieht es bei größeren und großen Unternehmen aus, die ihre betriebliche Altersversorgung schwerpunktmäßig über Direktversicherung und Co. abwickeln. Hier herrscht in der Regel viel Bewegung im Personalbestand und somit auch in der bAV. Zudem trifft man hier häufig auf eine völlig ungeordnete und unübersichtliche bAV. Beispielsweise fehlen eindeutige Versorgungsregelungen oder es bestehen viele unterschiedliche Versorgungszusagen bei vielen Versorgungsträgern.

Diesen Unternehmen nun ein bAV-Verwaltungsportal – also sozusagen die Software – zur Verfügung zu stellen, macht erfahrungsgemäß wenig Sinn. Um die bAV in Eigenregie ordnungsgemäß zu verwalten, müssten die Unternehmen nicht nur das erforderliche Know-How zur Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung aufbauen, sondern auch das Arbeiten mit der Plattform erlernen. Hierzu fehlt aber meist Zeit und Geld. Somit wird hier in der Regel ein

„Dienstleister“ mit an Bord sein, der die bAV in enger Zusammenarbeit mit der Fachabteilung des Unternehmens administriert.

Bei einfachen versicherungsförmigen Versorgungswerken mit sehr wenigen, im Idealfall mit nur einem Versorgungsträger, helfen die versicherungsnahen bAV-Vertragsverwaltungsportale aber dennoch weiter. Das Unternehmen kann hier z.B. Anund Abmeldungen, Beitragsänderungen usw. auch ohne Unterstützung bewerkstelligen. Klar sollte dabei aber auch sein, dass die Versicherungsgesellschaften einen Teil Ihrer Aufgaben wie z.B. die Policierung oder Änderungen von Verträgen an ihre Kunden auslagern. Inwieweit sich dann der Verwaltungsaufwand auf Kundenseite tatsächlich minimiert, sei einmal dahingestellt.

3. Unternehmen mit einer vielschichtigen bAV
Unternehmen, die die betriebliche Altersversorgung als wichtiges Instrument Ihrer Personalpolitik betrachten, haben in der Regel eine vielschichtige bAV. Diese umfasst je nach Unternehmen, der dortigen Personalpolitik und den betriebswirtschaftlichen Zielen alle Durchführungswege und Arten wie Direktversicherungen und Co., rückgedeckte und pauschal dotierte Ukassen, Direktzusagen auf Basis eines Leistungsprimats wie auch Bausteinmodelle oder wertpapierorientierte Zusagen.

Alle diese Zusagen müssen korrekt verwaltet und abgerechnet werden. Hinzu kommt, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur verwaltet, sondern auch kommuniziert werden muss. Diese Anforderungen gehen weit über die reine Vertragsverwaltung der versicherungsnahen Portale hinaus.

In jedem Falle ist hierzu nicht nur eine präzise arbeits-, steuer-und sozial­versicherungs­rechtliche Modellierung aller Zusagen erforderlich, sondern auch beispielsweise die Berechnung von Leistungen oder die versicherungsmathematischen Bewertungen für den Bilanzausweis im gleichen Portal. Nur dann können Schnittstellen und somit Fehlerquellen reduziert und letztlich eine steigende Qualität bei geringeren Kosten erreicht werden. Gleichzeitig wollen Mitarbeiter sich über die Leistungen aus ihrer bAV wie beispielsweise Versicherungswerte oder den Stand ihrer Fonds bei wertpapierorientierten Zusagen informieren und alle Dokumente jederzeit einsehen können.

Diese Anforderungen sollte ein modernes bAV-Verwaltungsportal in jedem Fall erfüllen. Um die betriebliche Altersversorgung im Unternehmen dann aber selbst z.B. durch die Personalabteilung zu verwalten, sind die Anforderungen hinsichtlich des bAV-Knowhows aber genauso hoch wie bei einer „konventionellen“ bAV Verwaltung. Digitale bAV-Portale erlauben die Einbindung von Dienstleistern und somit die Einbindung externen Knowhows in die Verwaltungsprozesse. Damit kann das erforderliche bAV-Knowhow in der Personalabteilung sinken und in der Folge sinken auch die Kosten. Im nächsten Schritt ermöglichen die Plattformen dann auch die komplette Auslagerung der Verwaltung an einen bAV-Spezialdienstleister, womit sich die Kosten in der Regel weiter reduzieren.

Die Kosten der Portale
Die Abrechnungsmodelle der Portale sind sehr unterschiedlich. Wie schon erwähnt sind „versicherungs­gesellschafts­abhängige“ Portale, sofern dort nur die Lebensversicherungsverträge bestimmter Versicherer verwaltet werden, kostenfrei. Für die Nutzung der Portale für Fremdverträge werden monatliche Gebühren erhoben. Es ist dann z.B. Sache des bAV-Dienstleisters, wer diese Kosten trägt. Dies kann der Dienstleister selbst sein aber auch das Unternehmen. Unabhängige Anbieter bieten ihre Plattformen, die ebenfalls über Vertriebs-und Beratungsstrecken verfügen, meist ebenfalls kostenfrei an, wollen aber an den Provisions­einnahmen in nicht unerheblicher Höhe partizipieren. Sie werben hier nicht selten mit einer Erhöhung der Beteiligungs­quote bei der Entgeltum­wandlung auf bis zu 70% in den jeweiligen Unternehmen. Eine Zahl, die in der Praxis aber reichlich optimistisch sein dürfte.

Verwaltungsportale, mit denen alle Formen der bAV administriert werden können, erheben in der Regel eine Lizenzgebühr pro verwalteter Zusage. Sofern das Unternehmen hier seine bAV nicht direkt selbst verwaltet und in diesem Fall Lizenzgebühren zu bezahlen hat, steht es einem Dienstleister, der seinem Kunden dieses Portal anbietet, frei, Lizenzgebühren und Verwaltungsaufwand dem Kunden in Rechnung zu stellen oder diese mit Provisionseinnahmen zu decken. Problematisch wird das dann, wenn das Neugeschäft bei einem Kunden stagniert oder sogar Provisions­rück­zahlungen fällig sind. Denn dann kann das Versorgungswerk vom Dienstleister nicht mehr betreut werden – ob mit oder ohne digitale bAV-Verwaltung.

Fazit
Die Welt der bAV-Verwaltungsportale beschränkt sich heute im Wesentlichen auf die Verwaltung von Versicherungsverträgen wie Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Der rechtliche Hintergrund der Betriebsrentenzusagen, der für eine korrekte bAV Verwaltung unabdingbar ist, ist bei diesen „bAV-Versicherungs­vertragsverwaltungs­portalen“ meist nicht implementiert. Dennoch helfen auch diese Portale Unternehmen, Ordnung und Transparenz in ihren bAV-Vertragsbestand zu bringen. Diese Portale werden in der Regel von Versicherungsgesellschaften zur Verfügung gestellt.

bAV-Vertragsverwaltungsportale, mit denen sich alle Durchführungswege und Zusageformen der betrieblichen Altersversorgung auf arbeits-, steuer-und sozialversicherungsrechtlicher Basis verwalten lassen, gibt es im Markt so gut wie nicht. Genau diese Portale benötigen aber Unternehmen, die eine vielschichtige bAV betreiben und neben den versicherungsförmigen Zusagen auch Direktzusagen oder pauschal dotierte Ukassen im Benefit-Portfolio haben.

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