Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen
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IDW-Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021
Herr Dr. Josef Saurer (Aktuar DAV/IVS), der an dem DAV/IVS-Ergebnisbericht mit Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Vorgaben des o.g. Rechnungslegungshinweises mitgewirkt hat, erläutert nachfolgend die wesentlichen Inhalte.
Im April 2021 hat das Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) den o.g. Rechnungslegungshinweis (RH) verabschiedet und im Juli 2021 veröffentlicht.
Inhaltlicher Anwendungsbereich:
Der RH ist anzuwenden auf die handelsrechtliche Bewertung von Direktzusagen, die zwar nicht versicherungsgebunden, d.h. ohne Bezugnahme, ausgestaltet sind, deren zugesagte Versorgungsleistungen aber in Teilen durch eine bzw. mehrere Rückdeckungsversicherungen (RDV) finanziert werden. Er findet auch Anwendung auf rückgedeckte Unterstützungskassen.
Beispiel:
Dem Mitarbeiter direkt zugesagt ist seit dem Jahr 1996 eine Altersrente von mtl. € 500,-- sowie eine Invalidenrente von mtl. € 250,--. Diese ist nach § 16 BetrAVG ab Rentenbeginn alle drei Jahre im Regelfall an die Veränderung der Inflation (Maßstab ist der Verbraucherpreisindex) anzupassen. Rückgedeckt ebenfalls seit dem Jahr 1996 ist eine Alters- und Invalidenrente von jeweils mtl. € 200,--. Diese erhöht sich im Regelfall durch eine Überschussbeteiligung und beträgt aktuell jeweils mtl. € 250,--.
Zeitlicher Anwendungsbereich:
Der RH wäre grundsätzlich ab Veröffentlichung sofort anzuwenden. Da die Anwendung bei einigen Unternehmen voraussichtlich aber zu prozessualen Anpassungen führt, ist nach Auffassung des Fachausschusses Unternehmensberichterstattung (FAB) eine Nichtanwendung bei der Aufstellung von Abschlüssen für Zeiträume, die vor dem 31.12.2022 enden, nicht zu beanstanden.
Trotz einer teilweise kritischen Bewertung des RH in der Fachwelt, dass das IDW möglicherweise seine Regelungskompetenzen mit dem RH überschritten hat, ist davon auszugehen, dass die Wirtschaftsprüfer, die im IDW organisiert sind, auf einer Anwendung ab dem 31.12.2022 bestehen werden.
Tenor des IDW RH FAB 1.021
Die Versorgungsleistungen der Direktzusage sind zunächst aufzuspalten in den Teil, der durch eine RDV finanziert wird, den sog. rückgedeckten Teil, sowie in dem in der Praxis häufig vorliegenden Fall der Unterversicherung in den verbleibenden, nicht rückgedeckten Teil. Bei der Identifizierung des rückgedeckten Teils der Direktzusage kommt es nicht auf exakte Übereinstimmung an: So wird beispielsweise keine taggenaue Übereinstimmung bei den Zahlungszeitpunkten oder keine exakte Übereinstimmung bei der Zahlungsweise (monatlich, quartalsweise) verlangt.
Grundsätzlich sind Dynamikerwartungen (z.B. künftige Rentenanpassungen bzw. Überschussbeteiligungen) einzurechnen. Insbesondere ist bei der Versicherungsleistung nicht bloß auf die garantierte Leistung abzustellen. Es besteht ein Wahlrecht zwischen dem Primat der Aktiv- oder Passivseite.
Für den rückgedeckten Teil ist sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite der Bilanz nach HGB der identische Wertansatz zu wählen, d.h. entweder der sog. Aktivwert der RDV (sog. Aktivprimat) oder der Erfüllungsbetrag für den rückgedeckten Teil der Direktzusage (sog. Passivprimat). Dies führt nach Auffassung des IDW zu einem angemesseneren Bilanzausweis nach HGB gegenüber der bisherigen Bilanzierung nach HGB. Im Fall der Unterversicherung ist für den nicht rückgedeckten Teil der Direktzusage auf der Passivseite der Bilanz nach HGB der entsprechende Erfüllungsbetrag auszuweisen.
Unterschiede zwischen dem Aktivwert der RDV und dem korrespondierenden Erfüllungsbetrag
Die allgemeinen Grundsätze der handelsrechtlichen Bewertung von RDV und Pensionsverpflichtungen unterscheiden sich im Regelfall erheblich. Insbesondere der Rechnungszins und die Sterbetafeln weichen voneinander ab.
Der Aktivwert einer RDV definiert sich als geschäftsplanmäßiges Deckungskapital der RDV. Von daher liegen üblicherweise als Rechnungszins der beim Abschluss der RDV maßgebliche Garantiezinssatz der Lebensversicherung (z.B. in den Jahren 1987 bis Juni 1994 3,5 %, Juli 1994 bis Juni 2000 4,0 %, …, 2017 bis 2021 0,9 %) sowie als biometrische Rechnungsgrundlagen die bei Abschluss der RDV für die Tarifierung maßgeblichen DAV-Tafeln (DAV1994R, DAV2004R, usw.) zugrunde.
Der Erfüllungsbetrag einer Direktzusage basiert dagegen auf dem monatlich von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten 10-Jahres-Durchschnittszins gemäß § 253 Abs. 2 HGB (üblicherweise für eine Duration von 15 Jahren) sowie derzeit den Generationentafeln RT2018G von Heubeck.
Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) hat in einer Arbeitsgruppe praxisorientierte Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der Vorgaben des IDW erarbeitet und am 26.04.2022 in einem DAV-Ergebnisbericht veröffentlicht:
2022-04-26-DAV-IVS-Ergebnisbericht_Rückdeckungsversicherungsansprüche.pdf (aktuar.de)
Zulässige Bewertungsverfahren für die Praxis
Um die Regelungen des RH mit angemessenen versicherungsmathematischen Methoden umzusetzen, unterscheidet der DAV-Ergebnisbericht zwei Formen von Bewertungsverfahren:
- Zahlungsstrombasierte Verfahren
Die zahlungsstrombasierten Verfahren orientieren sich stark am Wortlaut des RH. Das heißt, die erwarteten Zahlungsströme aus der Direktzusage und der RDV werden (zumindest näherungsweise) ermittelt und miteinander verglichen. Für diesen Vergleich benötigt der Aktuar die voraussichtlichen Renten- bzw. Kapitalleistungen der RDV sowie den Zeitpunkt der Auszahlung. Diese Informationen liegen dem Aktuar im Regelfall nicht vor und müssen vom Unternehmen beim Versicherer eingeholt und dem Aktuar zur Verfügung gestellt werden.
- Faktorbasierte Verfahren
Für die Umsetzung eignen sich jedoch auch sog. faktorbasierte Verfahren. Diese verzichten auf eine detaillierte Ermittlung der Zahlungsströme. Stattdessen werden die korrespondierenden Anteile der Direktzusage und der RDV über Barwerte verglichen. Der Vorteil dieser Verfahren liegt darin, dass sie bereits mit sehr wenigen Informationen über die RDV eine Umsetzung des RH mit vertretbarem Aufwand ermöglichen.
Es werden zwei faktorbasierte Verfahren unterschieden:
a. Deckungskapitalverfahren
Für die Direktzusage wird ein fiktiver Aktivwert ermittelt und mit dem Aktivwert der RDV verglichen.
b. Erfüllungsbetragsverfahren
Für die RDV wird ein fiktiver Erfüllungsbetrag ermittelt und mit dem Erfüllungsbetrag der Direktzusage verglichen.
Wahlrecht bei der Bilanzierung
Neben der Frage, welches Bewertungsverfahren angewendet werden soll, hat das Unternehmen noch die Entscheidung zu treffen, welcher Ansatz für die korrespondierenden Anteile in der Bilanz genutzt wird.
Aktivprimat
Der Wert der RDV wird auch als Wert der Direktzusage angesetzt.
Passivprimat
Der Wert der Direktzusage wird auch als Wert für die RDV angesetzt.
Fortführung des Beispiels:
Dem Mitarbeiter direkt zugesagt ist seit dem Jahr 1996 eine Altersrente von mtl. € 500,-- sowie eine Invalidenrente von mtl. € 250,--. Diese ist nach § 16 BetrAVG ab Rentenbeginn alle drei Jahre im Regelfall an die Veränderung der Inflation (Maßstab ist der Verbraucherpreisindex) anzupassen. Rückgedeckt ebenfalls seit dem Jahr 1996 ist eine Alters- und Invalidenrente von jeweils mtl. € 200,--. Diese erhöht sich im Regelfall durch eine Überschussbeteiligung und beträgt aktuell jeweils mtl. € 250,--.
Zum Bilanzstichtag 31.12.2022 beträgt der 10-Jahres-Durchschnittszins nach HGB 1,78 % p.a. und der Trend für die künftigen Rentenanpassungen nach § 16 BetrAVG 2,00 % p.a. Der Mitarbeiter ist bereits Pensionär, er bezieht eine Altersrente von mtl. € 500,--, und die RDV wurde an ihn verpfändet. Auf dieser Grundlage beträgt der Erfüllungsbetrag € 125.000,--. Aus der RDV fließen monatlich jeweils € 250,-- an das Unternehmen und der Aktivwert der RDV beträgt € 45.000,--.
Es ist davon auszugehen, dass bei der Tarifierung der RDV im Jahr 1996 ein Zinssatz von 4,0 % p.a. und die DAV-Tafeln 1994R maßgeblich waren. Zum Bilanzstichtag 31.12,2022 wird erwartet, dass der Versicherer lediglich noch eine Gesamtverzinsung von 2,75 % p.a. dauerhaft erwirtschaften wird. Demzufolge können künftige Überschussbeteiligungen der RDV vernachlässigt bzw. mit 0 % p.a. angesetzt werden.
Es kann das zahlungsstrombasierte Verfahren Anwendung finden: Der Erfüllungsbetrag für den rückgedeckten Teil berechnet sich mit einem Zinssatz von 1,78 % p.a. sowie einem Trend für künftige Anpassungen von 0,0 % p.a. und beträgt € 50.000,--.
Verbuchung in der Bilanz nach HGB |
Status Quo (vor RH) |
Aktivprimat |
Passivprimat |
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€ |
€ |
€ |
Aktivseite |
45.000 |
45.000 |
50.000 |
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|
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Passivseite |
n.a. |
45.000 |
50.000 |
Passivseite |
n.a. |
125.000 – 50.000 = 75.000 |
125.000 – 50.000 = 75.000 |
Passivseite |
125.000 |
120.000 |
125.000 |
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|
Pensionsrückstellung nach Saldierung |
80.000 |
75.000 |
75.000 |
Auswirkungen auf die Ertragssteuerbilanz sowie IFRS/IAS 19
Der RH hat keine Auswirkungen auf den Wertausweis in der Ertragssteuerbilanz. Nach IFRS/IAS 19 erfolgt jedoch der Wertausweis in der Regel in Analogie zur handelsrechtlichen Bewertung.