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Wenn umwandeln, dann richtig

| 10 Minuten Lesedauer

Jeder Arbeitnehmer hat seit 2002 das Recht, einen Teil seines Entgelts in Rücklagen fur eine betrieb­liche Altersversorgung umwandeln zu lassen. lnzwischen bieten weit mehr als jeder zweite Betrieb eine Entgelt­umwandlung an. Doch nicht jede Ent­geltumwandlung führt zum erhofften Wohlstand im Alter - Arbeitgeber sollten bei der Auswahl der Tarife und Versiche­rungsgesellschaften sorgfaltig vorgehen, um Demotivation und im schlimmsten Falle Haftungsfälle zu vermeiden.

Nahezu alle Versicherungsgesllschaften bieten fur die Entgeltumwandlung in erster Linie gezillmerte Tarife. Auch bei vielen tariflichen Versorgungsein­richtungen ist dieser Tariftyp zu finden. Dabei werden die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beitrage zunächst mit den Abschluss-, Vertriebs- und Akquisitionskosten verrechnet, bevor die Pramien zum Autbau eines Deckungskapitals fur die Altersversorgung verwendet werden. Das kann zu sehr geringen Rückkaufswerten der bAV führen, wenn der Arbeitnehmer schon nach kurzer Zeit aus dem Vertrag ausscheidet, beispielsweise weil er seinen Arbeitgeber wechselt oder den Arbeitsplatz verliert. Bei den heute verwendeten teilgezillmerten Tarifen werden diese Kosten auf einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren verteilt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der rechtlichen Zulässigkeit gezillmerter Tarife ausführlich auseinandergesetzt. Es kommt im Urteil vom 15. September 2009, 3 AZR 17/ 09 zu dem Schluss, dass zumindest voll-gezillmerte Versicherungstarife bei der Entgeltumwandlung als rechtlich problematisch zu bewerten sind. Zwar, so das BAG, würden sie nicht gegen das gesetzliche Gebot der "Wertgleichheit" in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG verstoßen, dennoch sieht das BAG einige Anhaltspunkte dafür, dass Altersversorgungsverträge mit gezillmerten Versicherungstarifen eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB darstellen konnten. In Bezug auf teilgezillmerte Tarife stellt das BAG lediglich fest, dass es .angemessen" sein konnte, wenn die bei einer Direkt­ versicherung anfallenden einmaligen Abschluss- und Vertriebskosten auf funf Jahre verteilt werden könnten.

Berechnungsbeispiel Teilzillmerung

Um die Konsequenzen der Teilzillmerung zu verstehen, betrachten wir einen 37-jährigen Arbeitnehmer, der eine Entgeltumwandlung über eine Direktversicherung mit 110 Euro monatlich bis zur Regelaltersgrenze von 67 Jahren plant (Vertragslaufzeit 30 Jahre, lebenslange Rente). Nun ist ihm von vorne herein klar: eine durchlaufende Bedienung der Entgeltumwandlung bis zum Renteneintritt ist eher unwahrscheinlich. Es wird mindestens einen Arbeitsplatzwechsel geben, moglicherweise auch arbeitslose Zeiten, die Gründung einer Familie oder eine Versetzung ins Ausland. Die Gefahr, seinen Vertrag einmal beitragsfrei stellen zu miissen, betrachtet er jedenfalls als hoch. Und deshalb mochte er wissen, mit welchen Kosten seine eingezahlten Beitrage behaftet sind.

Unterstellen wir, dass der Arbeitgeber drei Rententarife anbietet (was in der Praxis natürlich so nicht vorkommt): Einen Einzeltarif, einen Gruppen- beziehungsweise Kollektivtarif sowie ein tarifliches Versorgungswerk. Die Tabelle zeigt die Kostenbelastung auf die eingezahlten Beitrage nach Jahren sowie die vom Versicherer zugesagte garantierte Rente, wenn die Beitrage oh­ne Unterbrechung geleistet werden

Vergleich: Kosten - erwartete bAV

In unserem Rechenbeispiel macht der Arbeitnehmer nach der Berechnung der Kosten und der zu erwartenden Betriebsrente inklusive der Abzüge, die ihn erwarten, vier desillusionierende Feststellungen.

  1. Feststellung eins: In den ersten zehn Jahren ist die Entgeltumwandlung sehr teuer. Gerade in den ersten Jahren sollte der Vertrag deshalb keinesfalls beitragsfrei gestellt werden. Aber auch noch nach zehn Jahren und ebenso zum Ablauf hin sind die Kosten hoch.
  2. Feststellung zwei: Kollektivtarif und tarifliches Versorgungswerk erscheinen als reine Augenwischerei. Der oft bei Vertragsgesprachen angeführte, angeblich groBe Vorteil der Betriebsrente im günstigen Kollektivtarif beziehungsweise tariflichen Versorgungswerk entpuppt sich als Unterschied von gerade mal neun Euro zwischen dem Einzeltarif und dem tariflichen Versorgungswerk.
  3. Feststellung drei: Da die für die Entgeltumwandlung abgeführten Beiträge nicht dem sozialversicherungsrechtlichen Einkommen zugerechnet werden, ist das Einkommen, aus dem sich die gesetzliche Rente berechnet, um diese Beitrage geschmälert. Tipp: Über einen Schätzrechner im Internet (www.n-heydorn.de/ direktversicherun g) lässt sich der ungefähre Wert der Rentenminderung durch zur Entgeltumwandlung abgeführte Beiträge berechnen. Im Beispielsfall würde die gesetzliche Rente um circa 45 Euro niedriger ausfallen.
  4. Feststellung vier: Die verbleibende Betriebsrente ist steuer- und sozlalver­ sicherun gspflichtig. Der Sozialversiche­ rungsanteil betragt nach heutigem Stand etwa 17 Prozent,sodass im Beis piel beim Einz eltarif circa71 Euro, beim tar iflichen Versorgungswerk noch circa 79 Euro bleiben. Die steuerliche Belastung lasst sich schwer einschatzen. Sicher ist nur dass der Arbeitnehmer Steuern auf die Betriebsrente entrichten werden muss und sie deshalb niedriger ausfallen wird.

Fazit: Was soll das Ganze?

Zum Vergleich: Bei einer Umwandlung von 110 Euro monatlich beträgt die Nettobelastung für den Arbeitnehmer in etwa 50 Prozent, also 55 Euro. Hatte unser Arbeitnehmer nun diesen Betrag nicht für die Entgeltumwandlung verwendet, sondern in eine private Rentenversicherung investriert, betrüge seine private Rente in etwa 70 Euro monatlich. Steuern fallen hier kaum ins Gewicht, Sozialversicherungsbeitrage entfallen. Unser Mann ist kein Finanz- oder Steuerfachmann. Aber er erkennt: bei einer Betriebsrente kann netto kaum mehr herauskommen als bei der Privatrente. Vielleicht sogar weniger. Unser Arbeitnehmer reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, was das Ganze eigentlich soll. Politik, Versicherungsgesellschaften und tarifliche Versorgungswerke drangen ihn, Entgeltumwandlung zu betreiben, um dem generellen Absinken der gesetzlichen Rente entgegen zu wirken. Das kann er aber mit der ihm angebotenen Entgeltumwandlung nicht - wie er feststellen musste. Und so fühlt er sich - zurückhaltend ausgedriickt - für dumm verkauft. Von der Politik. Von den Versicherern. Und last but not least auch von seinem Arbeitgeber.

Lösungswege für eine gute bAV

Arbeitgeber, die eine Enrgeltumwandlung ohne Förderung auf Basis zillmerter Tarife anbieten, solten Beschaftigten detailliert über alle Kos­ten, aber auch über die Minderung der gesetzlichen Rente und die Belastungen der späteren Betriebsrente informieren. Gibt ein Unternehmen die eingesparten Lohnnebenkosten welter, reduziert das die arbeitnehmerseitige Kostenbelas­tung. Dennoch bleibt diese bei teilgezimmerten Tarifen in den ersten Jahren re lativ hoch. Das Risiko, Geld zu verlieren, somit auch. Hält der Mitarbeiter seinen Vertrag bis zum Ende durch, verfügt er über eine höhere Rente und die Entgelt­umwandlung beginnt sich zu lohnen. Aber das Unternehmen sieht sich mit Verwaltungskosten konfrontiert, ohne ein wirkliches Personalbindungsinstru­ment an der Hand zu haben.

Was also tun? Arbeitnehmer brauchen eine gute bAV und insbesondere eine Ab­sicherung des Langlebigkeitsrisikos. Bi­lanzneutral geht das nur über eine der versicherungsförmigen Durchführungs­wege. Deshalb brauchen wir auch Ver­sicherer. Alternativen zu gezillmerten sind Honorartarife ohne Abschluss- und Vertiebskosten. Diese werden aber nur von sehr wenigen Gesellschaften angebo­ten, sodass oft ein Wechsel des Versiche­rers notwendig würde. Dies führt jedoch leicht zu Unruhe im Unternehmen. Eine weitere Möglichkeit sind ungezillmerte Tarife. Diese schlagen kostenmäßig zwar hier zu Buche als Honorartarife, wer­den aber von den meisten Versicherern auf Nachfrage angeboten. Beide Varian­ten führen zu zusätzlichen Kosten im Unternehmen. Doch letztlich könnte das zusammen mit einer professionellen Be­treuung kostengünstiger sein, als blindlings in Haftungsfallen zu Iaufen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die für das Unternehmen scheinbar kostenlose oder lohnkostenmindernde Entgeltumwand­lung unglaublich teuer wird.

 

Peter Kolm, Personalmagazin 02/16

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